Flare Therapeutics Inc.

Roche springt zu Flare Therapeutics ins Boot

Die Schweizer Roche ist in Cambridge (USA) in eine Kooperation mit Flare Therapeutics Inc. eingestiegen, die sich um Wirkstoffe gegen Transkriptionsfaktoren drehen soll und mit einem gewaltigen Dealvolumen von über 1,8 Mrd. US-Dollar auftrumpft. Interessant ist dabei auch, dass die erst 2021 gegründete Flare schon mit sehr vielen Millionen anderer großer Pharma-Akteure ausgestattet wurde: Pfizer, Eli Lilly und Novartis sitzen bereits mit im Boot.

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Die US-amerikanische Flare startete 2021 mit einer Serie A-Finanzierung in Höhe von 82 Mio. US-Dollar und erhielt 2023 in einer Serie B-Finanzierung weitere beeindruckende 123 Mio. US-Doller. Im Investorenkreis versammelten sich damals die Pharmaunternehen Pfizer, Eli Lilly und Novartis. Das Biotech-Unternehmen konzentriert sich auf Transkriptionsfaktoren, das heißt Proteine, die die Genexpression steuern und eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten spielen. Sie geraten immer stärker in den Fokus als neueste Modalität, um gegen einige ausgewählte Zielstrukturen mit Small Molecules die Kontrolle über den Zellapparat zurückzuerlangen.

Seit der Finanzierungsrunde 2023 befindet sich das Hauptprogramm von Flare, FX-909, in einer klinischen Phase I-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom. Der Wirkstoff ist laut Flare der erste oral bioverfügbare niedermolekulare Inhibitor von PPARG, einem Transkriptionsfaktor mit wichtiger Rolle bei der Entstehung dieser Krebserkrankung. Der Peroxisom-Proliferator-aktivierte Rezeptor gamma, kurz PPARG (G für -gamma), hat zudem wohl eine Funktion als Rezeptor in Zytosol und Zellkern von Adipozyten und ist an deren Differenzierung beteiligt – worauf sich die in Sachen Diät und Adipositas hochsensibilisierte Pharmameute wohl auch nicht ohne Hintergedanken gestürzt hat.

Ein zweites Programm von Flare zielt auf Prostatakrebs ab und wird voraussichtlich bald in die IND-Studien (Investigational New Drug) eintreten. Roche jedoch will sich mit einer 70 Mio.-Dollar-Vorabzahlung und einem Gesamtdealvolumen, das bei Erreichen aller Meilensteine über 1,8 Mrd. US-Dollar hinausgehen kann, den gesamten Zugang zur Plattformtechnologie von Flare erschließen, um die Möglichkeiten einer Einwirkung auf die Transkriptionsfaktoren breitflächig zu eruieren. Transkriptionsfaktoren gelten in der Onkologie schon länger als primäre therapeutische Ziele, aber ihre komplexe Struktur hat es bisher extrem schwierig gemacht, sie medikamentös zu behandeln. Häufig wirken einzelne Transkriptionsfaktoren zusammen mit anderen Proteinen und können erst in der Kombination ihre regulierenden Mechanismus auf dem DNA-Strang ausüben. Da damit herkömmliche Regeln für das Design von Medikamenten nicht gelten, schaut das Flare-Team über den Tellerrand hinaus und nutzt Chemoproteomik, funktionelle Biochemie, kovalente Chemie und genetische Erkenntnisse, um ein tieferes Verständnis der strukturellen Grundlagen zu erlangen, die Transkriptionsfaktoren funktionieren lassen.

Dieses Wissen führte zum Auffinden neuer medikamentöser Taschen innerhalb von Transkriptionsfaktorkomplexen, die Rob Sims, CEO und Gründer von Flare, als „Switch-Sites“ bezeichnet. Deals in diesem Segment nehmen in den vergangenen Jahren zu. Bereits 2022 vereinbarte AstraZeneca mit der ebenfalls in der Region Boston beheimateten Scorpion Therapeutics einen ähnlichen Kooperationsdeal über die Entwicklung von Small Molecules gegen Transkriptionsfaktoren. Dort war nur die Upfront-Zahlung von 75 Mio. US-Dollar publik gemacht worden, über die vereinbarten Meilensteinzahlungen wurde Stillschweigen vereinbart. Zudem gibt es eine Menge verschiedener Ansätze, die Transkription der aus dem Ruder laufenden Genprodukte bei Krebserkrankungen zu modulieren, etwa neben den Samll Molecules auch mit RNA- oder DNA-Wirkstoffen.

Auch die Schweizer Firma Haya Therapeutics, die viel Aufmerksamkeit durch hohe Finanzierungsrunden erhalten hat, ist in diesem Segment der Einwirkung auf die Genregulation unterwegs. Ob immer die richtigen Zusammenhänge zwischen den Transkriptionsfaktoren, beispielsweise dem in vielen Pharmapipelines angesteuerten MYC, und den entsprechenden Wirkstoffen in der Entwicklung bestehen, diese Frage stellt die österreichische Quantro Therapeutics. Denn mit deren Analysetools zeigt sich, dass viele Wirkstoffe teilweise etwas ganz anderes machen, als in erster Linie den anvisierten Transkriptionsfaktor zu modulieren, und dieser erst an zweiter oder dritter Stelle eines Molekülwechselspiels auf den Plan tritt.

Es gibt also noch einige Fragezeichen in diesem Bereich und Roche hat wieder einmal seine bekannte Strategie angewendet: erst einmal abwarten, was die anderen machen und ob sich aus den frühen Konzepten und Theorien etwas praktisch Wirksames herauskristallisiert. Dann mit viel Geld in das Boot springen und versuchen, ans Steuer zu kommen. Wohin die gemeinsame Reise mit Flare (englisch: Fackel) führt, ist derzeit noch relativ unsicher.

Die Forschung über Transkriptionsfaktoren ist jedoch in vollem Gang und ständig gibt es Neuigkeiten. Die gleichzeitige Hemmung der Transkriptionsfaktoren MYC und JunB könnte beispielsweise eine richtungsweisende Option zur Behandlung des Multiplem Myeloms, der zweithäufigsten Blutkrebsart, darstellen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die ein Team der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften gemeinsam mit österreichischen (MedUni Wien) und amerikanischen (Harvard Medical School) Forschern durchgeführt hat. Darin konnte erstmals gezeigt werden, dass die beiden regulatorischen Proteine unabhängige Wirkungen in Zellen des Multiplem Myeloms haben. Die simultane Hemmung beider Proteine bewirkte in den Untersuchen einen synergistischen, verstärkten Anti-Tumor-Effekt, der nun weiter untersucht werden soll. Die Transkription rückt also etwas mehr in die Aufmerksamkeit.

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